Liebe
Stafetten-Mailer,
ähnlich wie in dem Zitat von Maria Jepsen („Die Bibel brodelt.
Dauernd sind Wörter unterwegs uns aufzurütteln oder sanft zu
trösten. Und manche Wörter schlafen, bis ihre Zeit gekommen
ist.“) in der Bibel-Mail von Sr. Franziska, ist die Stelle, die ich
für diese Woche ausgewählt habe, nicht meine
„Lieblingsstelle, über die ich immer schon mal schreiben wollte“,
sondern eher eine Passage, die sich mir in den letzten Wochen
verdichtet „aufgedrängt“ hat:
Das Gleichnis vom Festmahl (Lukas 14, 15-22)
15 Als einer der Gäste das hörte, sagte er zu Jesus: Selig,
wer im Reich Gottes am Mahl teilnehmen darf.
16 Jesus sagte zu ihm: Ein Mann veranstaltete ein großes Festmahl
und lud viele dazu ein.
17 Als das Fest beginnen sollte, schickte er seinen Diener und
ließ den Gästen, die er eingeladen hatte, sagen: Kommt, es
steht alles bereit!
18 Aber einer nach dem andern ließ sich entschuldigen. Der erste
ließ ihm sagen: Ich habe einen Acker gekauft und muss jetzt gehen
und ihn besichtigen. Bitte, entschuldige mich!
19 Ein anderer sagte: Ich habe fünf Ochsengespanne gekauft und bin
auf dem Weg, sie mir genauer anzusehen. Bitte, entschuldige mich!
20 Wieder ein anderer sagte: Ich habe geheiratet und kann deshalb nicht
kommen.
21 Der Diener kehrte zurück und berichtete alles seinem Herrn. Da
wurde der Herr zornig und sagte zu seinem Diener: Geh schnell auf die
Straßen und Gassen der Stadt und hol die Armen und die
Krüppel, die Blinden und die Lahmen herbei.
22 Bald darauf meldete der Diener: Herr, dein Auftrag ist
ausgeführt; aber es ist immer noch Platz.
23 Da sagte der Herr zu dem Diener: Dann geh auf die Landstraßen
und vor die Stadt hinaus und nötige die Leute zu kommen, damit
mein Haus voll wird.
24 Das aber sage ich euch: Keiner von denen, die eingeladen waren, wird
an meinem Mahl teilnehmen.
Im Juni und Juli war ich zu mehreren Feiern (Jubiläum, Hochzeit,
Abschied, runde Geburtstage usw.) eingeladen. Zu den meisten konnte ich
kommen, bei zweien musste ich leider absagen. In diesem Kontext kam es
zu einigen Gesprächen, die mich sehr nachdenklich darüber
gemacht haben, wie wir mit solchen Festen und Einladungen umgehen.
Da ist also jemand, der einen festlichen Anlass begehen möchte. Im
Gegensatz zu einer Fete, die einfach ein „fröhliches,
ausgelassenes Beisammensein“ (siehe Etymologisches Wörterbuch des
Deutschen) bezeichnet, hat der Begriff „Fest“ ursprünglich eine
religiöse Konnotation. Selbst in der säkularisierten
Bedeutung bleibt aber doch übrig, dass es einen
*besonderen* Anlass gibt, der dem Veranstalter so
wichtig ist, dass er ihn mit den Leuten begehen möchte, die ihm
viel bedeuten. Daher lädt er diese Menschen ein, d.h., er bittet
sie als Gast zu sich, fordert sie zur Teilnahme an der Feier auf. Eine
solche Einladung hat sicherlich einen sehr viel höheren
Stellenwert als ein bloßes „Kommst du heute auf ein Bier
vorbei?“, sie sagt auch „Du bist mir wichtig. So wichtig, dass ich
diesen speziellen Anlass mit dir begehen möchte. So wichtig, dass
ich mein Haus besonders schmücke. So wichtig, dass ich dir etwas
Besonderes koche. So wichtig, dass ich viel Zeit, Geld und Energie in
die Vorbereitung des Zusammenseins stecke.“
Und dann ist es an den Eingeladenen, auf dieses Angebot zu reagieren.
Um es für meine Erfahrungen aus den letzten Wochen kurz zu machen:
Die Zahl derer, die überhaupt nicht auf ihre Einladung reagiert
haben bzw. sie mit mehr oder weniger guten Gründen ausgeschlagen
haben, war für mein Empfinden erschreckend hoch. Besonders
betroffen gemacht hat mich das Gespräch mit einem ehemaligen
Arbeitskollegen (den ich übrigens in vielerlei Hinsicht sehr
schätze). Er war zur einer Feier geladen, zu der der Gastgeber nur
eine recht begrenzte Zahl von Einladungen aussprechen konnte, weil das
Fest auf einem Schiff stattfinden sollte. Am Abend vor der Feier rief
ich den Ex-Kollegen an, um u.a. zu fragen, ob wir uns dort sehen
würden. Er erzählte mir, er habe bisher weder zu- noch
abgesagt, habe sich jetzt aber „aus einer Vielzahl von Gründen“
entschieden, nicht zu kommen. Er würde mir aber natürlich
seinen Anteil für das gemeinsam geplante Geschenk zahlen, und ich
solle ihn entschuldigen. Meine Vermutung, dass „aus einer Vielzahl von
Gründen“ eigentlich meint „ohne guten Grund“, konnte er weder
während des Telefonats noch später entkräften (weshalb
ich seiner Bitte, ihn zu entschuldigen, nicht nachkommen konnte).
Vielmehr stellte sich heraus, dass er die durch sein Nicht-Mitfeiern
„gewonnene Zeit“ für keine seiner als „dringend notwendig“
aufgeführten Aufgaben genutzt hat. Auf die Frage, warum er denn
dem Gastgeber nicht eher abgesagt habe, schob er dann noch die
Verantwortung auf den Gastgeber, der ihm die Einladung nicht in einem
„für ihn günstigen Format“ übermittelt habe. Dieser
hatte ihm nämlich, um eine frühzeitige Planung zu
ermöglichen, eine E-Mail mit angehängtem Bild der
Einladungskarte geschickt. Der Gipfel des Gesprächs war für
mich dann, als der Ex-Kollege sagte „Ich empfinde eine Einladung zu
einer Feier als
*Zumutung* vom Gastgeber MIR gegenüber,
weil ICH dann MEINEN Terminplan anpassen muss, weil ICH dann
entscheiden muss, ob ICH kommen will, und weil ICH dann überlegen
muss, wie und mit welcher Begründung ICH gegebenenfalls absage.
Daher veranstalte ich übrigens auch keine Feiern, weil ich das
niemandem zumuten möchte.“ Leider hatte der Ex-Kollege nicht den
Mumm, dem Gastgeber all dies selber – und sei es nur telefonisch oder
per Mail – zu sagen.
Ehrlich, wenn ich an dieses Gespräch denke, steckt mir jetzt noch
ein Kloß im Hals. Nach meinem Verständnis von „Fest“ will
der Gastgeber seine Gäste durch seine Einladung ehren. Und das
wird dann als Zumutung interpretiert!?!
Sicher ist dieses ein extremer Fall, viele Absagen mögen gut
begründet sein oder aus einer Fehleinschätzung des Gastgebers
resultieren, wem er wie wichtig ist. Aber ich denke, dass eine
große Zahl der ausgeschlagenen Einladungen auch zurückgeht
auf ein sehr verarmtes oder verflachtes Verständnis von dem, was
es heißt, ein Fest zu feiern und eingeladen zu sein.
Nun möchte uns Jesus im Gleichnis vom Festmahl sicher nicht in
erster Linie Vorschriften machen, bei welchen Geburtstagseinladungen
wir zu- und bei welchen wir absagen sollen. Vielmehr geht es ihm um die
Einladung Gottes an uns, wie es vielleicht noch deutlicher wird in der
Einleitung, die Matthäus für dieses Gleichnis wählt:
„Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König, der die Hochzeit
seines Sohnes vorbereitete.“ (Mt 22, 2)
Und da stellt sich für mich die Frage, wie wir die Feste, die Gott
mit uns feiern will, die Einladungen, die er an uns ausspricht, richtig
wertschätzen können, wenn für uns ein Fest kaum noch
etwas Besonderes ist, eine Einladung etwas ist, das wir nach
Gutdünken ignorieren bzw. nach Lust und Laune mehr oder weniger
höflich ausschlagen können, jedenfalls aber nur das
Große Ich im Mittelpunkt steht und eine Ehrerbietung dem
Gastgeber gegenüber völlig unnötig scheint.
In diesem Sinne denke ich, dass mir die Gedanken und Gespräche zu
den weltlichen Festen und Einladungen der letzten Zeit auch geholfen
haben, manchen Satz in der Bibel neu zu verstehen und letztlich, die
Einladungen Gottes an mich ernster zu nehmen und vor allem, meine
Antworten an ihn, die sich in Gedanken, Worten und Werken
widerspiegeln, neu zu überdenken.
Vielleicht kann euch der Bibeltext oder mein Bericht auch anregen,
über euer Verständnis von Festen und Einladungen
nachzudenken; ich denke, es lohnt sich. Wenn ja, wäre ich
natürlich sehr interessiert zu erfahren, was dabei rausgekommen
ist!
In der nächsten Woche können wir übrigens besonders den
*globalen* Aspekt der Bibel-Stafette erfahren.
Die Bibel-Mail wird dann nämlich aus San Jose kommen und von
Henrik geschrieben sein.
Viele Grüße,
Ludger
P.S.: Natürlich reicht’s nicht, einfach alle Einladungen
anzunehmen und auf jedem Fest anwesend zu sein, wie Matthäus uns
in Mt 22 , 11-13 zeigt: „Als sie sich gesetzt hatten und der König
eintrat, um sich die Gäste anzusehen, bemerkte er unter ihnen
einen Mann, der kein Hochzeitsgewand anhatte. Er sagte zu ihm: Mein
Freund, wie konntest du hier ohne Hochzeitsgewand erscheinen? Darauf
wusste der Mann nichts zu sagen. Da befahl der König seinen
Dienern: Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn hinaus
in die äußerste Finsternis! Dort wird er heulen und mit den
Zähnen knirschen.“
Ich hoffe jedenfalls, in der nächsten Woche bei der Hochzeit von
Paul und Ieva – auch ohne afrikanisches Festgewand – einigermaßen
adäquat gekleidet zu sein