Liebe KHG'ler/innen,

ich schicke Euch heute schon, zwei Tage früher als im Kalender
vorgesehen, meinen Beitrag zur KHG-Bibelstafette, weil ich nämlich zwei
Texte zum Evangelium des jetzigen Sonntags geschrieben habe. So könnt
Ihr damit das Evangelium, das Ihr jetzt auch im Gottesdienst hört,
meditieren.

Ich hoffe, dass das Evangelium und meine Auslegung und
Meditationsanregung Euch hilfreiche Impulse vermitteln.


Am 2. Juli wird dann Ernest Negou Euch seinen Beitrag schicken - an ihn
gebe ich den Stab weiter.


Ein gesegnetes Wochenende

wünsche ich Euch von Herzen


Christoph




Johannes – Evangelium, Kapitel 15, Verse 9 - 17

(Evangelium von 6. Sonntag der Osterzeit / Lesejahr B, = 25. Mai 2003)



9 Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt.
Bleibt in meiner Liebe!

10 Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben,
so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe
bleibe.

11 Dies habe ich euch gesagt,
damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.

12 Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.

13 Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine
Freunde hingibt.

14 Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.

15 Ich nenne euch nicht mehr Knechte;
denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut.
Vielmehr habe ich euch Freunde genannt;
denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört
habe.

16 Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu
bestimmt,
dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt.
Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen
bittet.

17 Dies trage ich euch auf: Liebt einander!





Das Wichtigste am Christentum


Das Wichtigste am Christentum sei die Nächstenliebe, sagte die
Studentin. Ich habe Zweifel, ob das so stimmt. Sicherlich denkt sie an
„das wichtigste und erste Gebot“, das der Gottes- und Nächstenliebe (Mt
22, 34-40). Auch im heutigen Evangelium spricht Jesus dreimal von diesem
„Gebot“ und noch zweimal von seinem ‚Auftrag’: „Liebt einander!“ Und
dennoch bleibe ich bei dabei: Das Liebesgebot ist nicht das Wichtigste.
Es ist auch nicht das Wichtigste unseres Sonntagsevangeliums.

Das steht nämlich gleich im ersten Satz, mit dem Jesus diesen Abschnitt
seiner Rede an die Jünger beginnt: „Wie mich der Vater geliebt hat, so
habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!“ Dreimal gebraucht
Jesus die Wendung „in meiner/seiner Liebe bleiben“. Damit gibt er seinen
Jüngern zu verstehen: „Ihr seid in meiner Liebe. Es gibt ein
Beziehungsnetz, einen Fluss der Liebe: vom Vater zu mir und von mir zu
euch. Wie ein Fisch im Wasser seid ihr eingebettet in diesen Lebensraum
der Liebe Gottes; ihr seid geborgen und gehalten in diesem Netz
göttlicher Liebe. Vertraut darauf, bleibt darin – das schenkt euch
Leben!“

Und dann konkretisiert Jesus, welche Beziehung er in diesem Lebensraum
der göttlichen Liebe zu uns geknüpft hat: „Ihr seid meine Freunde.“ „Ich
habe euch erwählt.“ ‚Meine Freude ist in euch.’ Wir liegen ihm so sehr
am Herzen, dass er uns freundschaftlich nahe ist und mit seiner Freude
in uns gegenwärtig ist.

Jesus spricht nicht von etwas, was wir tun sollen, sondern davon, wie es
IST: Wir finden uns vor in der Freundschaft, die er uns geschenkt hat
und die für uns der Weg zum „Leben in Fülle“ (Joh 10, 10) ist. Wir
finden uns vor in der Liebe Gottes, die uns umgibt und nährt. Wir finden
uns vor als „Menschen seiner Gnade“ (Lk 2, 14).

Das zu erkennen und anfanghaft im eigenen Leben zu erfahren - damit
beginnt das wirkliche Christsein. Nämlich damit, dass ein Mensch im
Vertrauen auf die Zusage des Evangeliums ahnt und entdeckt: „Ich bin von
Gott geliebt. Ich lebe in und aus seiner Gnade.“ Dadurch gewinnt er ein
neues Selbstverständnis, dadurch macht er sich die neue Identität zu
eigen, die Gott ihm in der Taufe verliehen hat – wo gesagt worden ist,
dass er „wiedergeboren“ und ein „neuer Mensch“ geworden ist. Übrigens:
Wenn das die Grundlage und der Kern meiner Identität ist (und nicht das,
was ich aus eigener Kraft kann und bin und habe), wenn ich so in mir
selbst ruhe (weil ich in Gott ruhe und er in mir ist), dann können die
Stürme des Lebens ruhig kommen...

Das Primäre am Christsein ist also die Erfahrung der Liebe, die Gott uns
schenkt, die uns im Kern unserer Identität verwandelt und uns durch die
Beziehung zu Jesus Christus eine neue Lebensqualität eröffnet. In dem
Maße, wie jemand diese Liebe Gottes erfährt, kann er gar nicht anders,
als selbst ein Mensch der Liebe zu werden und sie weiter zu schenken.
Nicht als die Erfüllung eines Gebotes, sondern als seine persönliche
Herzens-Antwort auf das Liebesgeschenk Gottes. Auf diese Dynamik zielt
Jesus, wenn er uns als Zentrum des Evangeliums zuruft: „Liebt einander,
so wie ich euch geliebt habe.“





Sich betend in das Evangelium vertiefen


Wenn man einen Evangelientext verstanden hat, ist man mit ihm noch lange
nicht fertig. Das Ziel ist, dass das Evangelium uns von inner her
erfüllt, uns tiefer in die Beziehung zu Gott, den Mitmenschen und uns
selbst führt und dann zum Tun des Wortes Gottes animiert. Das
verstandesmäßige Durchdringen eines Evangeliums ist also nur ein erster
Schritt. Wenn es in uns wirklich fruchtbar werden soll, ist es gut, auch
mit dem Evangelium ins Gebet zu gehen. Dazu möchte ich Euch einen
konkreten Vorschlag machen.

Denn das heutige Evangelium ist dazu bestens geeignet. In ihm finden wir
mehrere Zusagen Jesu, in denen er uns zuspricht, was er bzw. Gott für
uns tut und was wir von ihm her sind (wie ich es oben beschrieben habe):

· „Bleibt in meiner Liebe!“
· „Ihr seid meine Freunde.“
· „Ich habe euch erwählt.“
· ‚Meine Freude ist in euch.’
· „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.“

Nimm Dir mal eine Viertelstunde oder länger Zeit zur Stille und lass Dir
dieses „Bleibt in meiner Liebe!“ innerlich von Jesus zusagen. Du kannst
den Satz dabei auf den Atemrhythmus sprechen, beim Einatmen – Ausatmen
„Bleibt – in meiner Liebe!“ und entsprechend bei den anderen
Jesus-Worten.

Diese Gebetsweise kann helfen, uns auf diese Worte Jesu einzulassen und
ihre verwandelnde Kraft in uns fruchtbar werden zu lassen.

Christoph Kohl






Eine Übersicht zur KHG Bibel-Staffette 2003 gibt's unter
http://www.dfki.uni-kl.de/~elst/html/bibel2003/

Die Bibel-Staffette wird mittels eines List-Servers am RHRK der Uni Kaiserslautern verwaltet:
http://sun.rhrk.uni-kl.de/wws/info/khg-bibel