Ein Gastbeitrag von Andreas Wolter:
 

Caridina japonica,
die "Amanogarnele" Yamato-numa-ebi

Algenbekämpfung mit Charme - Caridina japonica
Fotos: Bernd Kaufmann
Teil 2 des Gastbeitrages erschienen - klicken Sie hier.
Süßwassergarnelen der Gattungen Atyopsis, Macrobrachium und Caridina erobern schon seit langer Zeit die Becken und Herzen derjenigen Aquarianer im Sturm, die so unvorsichtig waren, sich ernsthaft mit diesen faszinierenden Wirbellosen einzulassen. Dennoch mußten sie hinsichtlich einer breiteren Popularität meist hinter der beflossten Konkurrenz ein unverdientes Nischendasein fristen, obwohl sie doch mit Eigenschaften aufwarten können, die besonders einige Vertreter zu fast idealen Aquariumbewohnern machen.

Zuzutrauen wäre ihnen selbstverständlich auch, daß sie ihren großen Auftritt auf einen Zeitpunkt verlegen wollten, der ihnen hierfür endlich einen angemessenen Rahmen bieten konnte.

Opfer dieser ausgeklügelten Strategie wurde schließlich der japanische Fotograf und Pflanzenliebhaber Takashi Amano, der mit seinen phantastischen Fotobänden und der Präsentation seines Konzeptes eines "Naturaquariums" nicht nur der Aquaristik weltweit neue, interessante Impulse vermittelte, sondern auch einer kleinen Süßwassergarnele ihr "coming out".

Algen unter dem Mikroskop
Es ist angerichtet... verschiedene Algen unter dem Mikroskop

Warum genießt nun unter zahllosen Arten der Gattung Caridina ausgerechnet C. japonica inzwischen geradezu einen "Kultstatus" ?

In Pflanzenbecken mit sehr mäßigem Fischbesatz, starker Beleuchtung und entsprechend hierauf abgestimmter CO2-Zufuhr finden nicht nur Wasserpflanzen günstige Bedingungen vor, sondern auch verschiedene Algenarten, insbesondere Fadenalgen. Gerade bei solch einem "schnellen" Becken laufen gelegentlich einmal einige Faktoren schneller aus dem Ruder, als man mit Korrekturen nachkommen kann und die Algen nutzen die Gunst der Stunde, sich nicht dankbar auf das ihnen wohlwollend eingeräumte Maß zu beschränken.

Auf der Suche nach einer natürlichen Algenprophylaxe hat Takashi Amano parallel zum Einsatz von Otocinclus-Arten (für die Scheiben <g>) mit verschiedenen einheimischen Süßwassergarnelen experimentiert. C. japonica aus der Region Yamato soll sich dabei als die weitaus effizienteste Art erwiesen haben.

Yamato-numa-ebi
Yamato-numa-ebi - charakteristischer Rückenstreifen

Nachdem ich selbst seit einiger Zeit Erfahrungen mit verschiedenen Süßwassergarnelen sammeln konnte, vor allem mit Neocaridina denticulata und meinem persönlichen kleinem Favoriten, der Zebra- oder Rotschwanzgarnele C. serrata, stand ich den sagenumwobenen Qualitäten von C. japonica als Rasenmäher für Fadenalgen mehr als skeptisch gegenüber.

Kennengelernt hatte ich meine Garnelen bisher als ausgesprochene Allesfresser, bevorzugt wurde immer genau das Futterangebot, welches bei geringstem Aufwand die meiste Energie lieferte. Die Palette reicht von Tubifex über Trockenfuttertabletten bis hin zu abgestorbenen Pflanzenteilen. Algen waren auch dabei...

Irgendwann war ich vollständig vom "Garnelen-Bazillus" durchdrungen, und meine C. serrata stießen mit ihrer energischen Forderung nach einem eigenen Becken nur auf schwache Gegenwehr, da ich ohnehin die Einrichtung eines Pflanzenbeckens ohne jeglichen Fischbesatz plante. Schon nach kurzer Zeit bekundeten die kleinen Racker ihr Wohlgefallen am neuen Lebensraum durch monatliche Verdoppelung des Bestandes, kamen aber der ihnen zugedachten Aufgabe als Algenkontrolleure nur mehr als nachlässig nach. Ich sah mich der gewaltigsten Explosion von Fadenalgen in meiner langjährigen "aquaristischen Laufbahn" ausgesetzt, während die Rotschwanzgarnelen zu Hunderten feixend auf den Blättern saßen und sich die Bäuche hielten vor Lachen... Derart provoziert, hielt umgehend die Rache des kleinen Mannes Einzug in das Becken, indem ich den undankbaren Gesellen mit etwa zwanzig C. japonica ihre aufgeblasene, berühmte Verwandtschaft vor die gerümpfte Nase setzte.

Caridina japonica (Decapoda - Caridea, Fam. Atyidae) wird mit etwa 5,5 cm deutlich größer als die nur 2,5 cm erreichenden C. serrata, kann farblich zwar nicht ganz mithalten, bringt aber sonst alle positiven Eigenschaften mit, die den Reiz dieser geselligen Schnellkomposter mit großem Unterhaltungswert ausmachen. Schnell ihr ausgesprochenes Glück erfassend, bei einem ausgesprochenen Garnelenfreund gelandet zu sein, der sie vorurteilsbeladen auf ihre hochgepriesenen, besonderen Eigenschaften hin abzuklopfen gedachte, machten sich die Neuankömmlinge sogleich an die Arbeit und vertilgten unter den staunenden Augen ihres Gastgebers sämtliche Fadenalgen binnen weniger Tage. Dieses Ergebnis übertraf meine kühnsten Erwartungen und so fällt es mir auch nicht schwer, als frischgebackener Jünger des C. japonica Kultes hier ein bißchen Werbung für diese Art zu machen.

Die Ansprüche hinsichtlich der Haltungsbedingungen unterscheiden sich nur unwesentlich von denen anderer Süßwasserdecapoden. Wie alle Wirbellosen, reagieren Garnelen sehr empfindlich auf Metallverbindungen, insbesondere Kupfer. Dies ist im Zusammenhang mit einer Behandlung etwaig auftretender Fischkrankheiten zu bedenken.

Algenfreie Zone - durch C. japonica
Ein Aquarium, in dem sich Garnelen wohlfühlen....

Die Haltung von Caridina japonica im Gesellschaftsbecken ist gut möglich, nur sollte man sich hüten, ihnen räuberische oder besonders aufdringliche Fischarten zur Seite stellen zu wollen. Krebstiere machen in den Ursprungsländern der Aquarienfische einen großen Teil des Speiseplans aus. Dort treten die hier so kostbaren Garnelen zeitweise in derartigen Mengen auf, daß Fänger der eigentlichen Objekte der Begierde alle Hände voll zu tun haben, diese "Lästlinge" immer wieder aus den Maschen ihrer Fangnetze herauszuoperieren.

Auch wenn Garnelen Meister der Tarnung sind und sich auf vielerlei trickreiche Verfahren verstehen, dem Zugriff ihrer Jäger zu entgehen, so wird man bei falscher Vergesellschaftung nichts von ihrem interessanten Sozialverhalten zu Gesicht bekommen, unter Umständen sogar annehmen, die Tiere seien wohlmöglich gestorben, obwohl sie nur im Geheimen ihr Unwesen treiben. Auch die Pflanzen werden dann nicht mehr begärtnert, so daß die ihnen im allgemeinen bei der Anschaffung zugedachte Aufgabe der Algenkontrolle ein Wunschtraum bleiben muß...

Setzt man aber eine ausreichend große Gruppe (ab 10 Tieren aufwärts, je nach Beckengröße) in ein eingefahrenes, gut bepflanztes Aquarium mit ausreichend Versteckmöglichkeiten, so entfalten sich die liebenswerten Eigenschaften dieser geselligen Asiaten und man wird seine helle Freude an ihnen haben.

Die Temperaturtoleranz erstreckt sich über den weiten Bereich von 15-28 °C, wobei höhere Temperaturen (über 30 °C) unbedingt vermieden werden sollten, da C. japonica als kein ausgesprochen tropischer Vertreter der Gattung hierauf mit einer weißlichen Eintrübung reagiert, welche an eine Eiweißgerinnung denken läßt und den Einzug in den Garnelenhimmel nach sich zieht. Die organische Wasserbelastung sollte man so gering wie möglich halten, höhere Nitratwerte über 25 mg/l, die für Fische im allgemeinen noch kein nennenswertes Problem darstellen, werden nur schlecht vertragen.

Die "Amanogarnele"
Bezaubernd und nützlich: die Amanogarnele

Allerdings wird man in einem klug geplanten Pflanzenbecken mit mäßigem Besatz/Fütterung keine Schwierigkeiten haben, diesen Wert weit zu unterbieten, soweit man nicht schon auf stark belastetes Ausgangswasser zurückgreifen muß.

Wie man sieht, fügt sich C. japonica als idealer Baustein nahtlos in ein aus meiner Sicht wünschenswertes "Aquariumgesamtkonzept" ein, mit einer kleinen Einschränkung vielleicht:

Die notwendige Ergänzung des wichtigen Kohlenstoffes über die Einleitung von CO2 sollte man etwas zurückhaltender handhaben, da der Bedarf der Garnelen an Calcium, besonders vor und während der kritischen Häutungsphasen, relativ hoch ist.
Groß ist der Schreck, wird man erstmalig unvorbereitet mit dem Phänomen der Häutung konfrontiert. Unweigerlich nimmt man zunächst an, man hätte ein verstorbenes Tier vor Augen. Nach genauerer Inspektion löst sich dieser Schreck aber schnell in Erleichterung auf, da man feststellt, daß es sich nur um die weiche, leere Chitinhülle handelt. Der ursprüngliche, aus der Haut gefahrene Inhalt erstrahlt unterdessen an einem sicheren Ort im neuen Glanz und wartet auf die Aushärtung des noch weichen, neuen Exoskelettes.
Da auch kleine Krebstiere einmal groß und stark werden wollen, ihre starre Hülle jedoch nicht mitwachsen will, muß diese in regelmäßigen Abständen erneuert werden. So beneidenswert eine solche Fähigkeit auch auf uns Menschen wirken mag, für die Garnelen ist die Phase vor, während und nach der Häutung eine überaus kritische Zeit, in der hochkomplizierte Stoffwechselvorgänge ablaufen und sogar verlorengegangene Gliedmaßen wieder regeneriert werden können. Schon einige Tage vor der Häutung wird die Nahrungsaufnahme eingestellt, da auch innere Organe miteinbezogen sind. Das wertvolle Calzium wird neben anderen, wichtigen Mineralstoffen aus der alten Hülle resorbiert und die Garnele beginnt, ihren Körper mit Wasser aufzupumpen, bis die alte Hülle an einer Sollbruchstelle aufplatzt. Nach dem Herauszwängen aus diesem Spalt wird die neue Hülle weiter mit Wasser aufgepumpt, so daß es zu einer Volumenvergrößerung von bis zu 25% kommen kann. In diesem Stadium sind Krebstiere ihren Feinden (und auch Artgenossen) schutzlos ausgeliefert, so daß schnellstmöglich das zuvor eingelagerte Calzium in die noch weiche, neue Hülle wieder eingebaut wird.

Sind genaue Informationen zur Haltung von Süßwassergarnelen schon Mangelware, so ist man bei dem Versuch einer erfolgreichen Vermehrung nahezu gänzlich auf eigene Versuche angewiesen. Hierin liegt aber andererseits auch eine große Herausforderung, da man beim Betreten dieses aquaristischen Neulandes interessante Erkenntnisse sammeln kann.

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Geselliges Beisammensein ....

Möchte man einmal einen solchen Versuch wagen, sollte man für eine gute Ausgangsposition möglichst mit einer größeren Gruppe von C. japonica beginnen und darauf achten, unterschiedlich große Tiere zu erwerben. Bei den größeren, etwas plumper wirkenden Tieren handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Weibchen. Richtige Glückspilze können im Händlerbecken auch bereits eiertragende, weibliche Tiere entdecken.

Da sich die wesentlichen Betätigungsfelder (nicht nur) der Garnelen ohnehin auf Futter fassen und ausgiebige Anstrengungen zur Arterhaltung erstrecken, wird man aber auch ohne solches Glück gehabt zu haben, bald die ersten Weibchen mit Eiern entdecken können. Dafür stehen schon die "Garnelenmänner" gerade, welche ihren Teil geradezu penetrant gewissenhaft beitragen...

Eine erfolgreiche Begattung erkennt man daran, daß in den Gonaden über dem Kaumagen die Eipakete angelegt werden. Nach der nächsten Häutung werden diese in einen Brutraum im Bereich der Schwimmfüße abgelassen, ausgiebig vom Weibchen geputzt und mit Frischwasser befächelt. Die Tragzeit bei Caridina japonica beträgt etwa 14 Tage, dann werden die winzig kleinen Larven in das Wasser entlassen.

Ja, und nun wird es leider problematisch:

Bislang ist es mir nicht gelungen, diese im Wasser freischwebenden Larven über einen größeren Zeitraum als etwa drei Tage am Leben zu erhalten. Es hat den Anschein, als gäbe es bei dieser Caridina-Art Parallelen zur Gattung Atyopsis, deren Larven zwar ebenfalls im Süßwasser freigesetzt werden, dann aber mit der Strömung ins Salzwasser (Brackwasser) verdriftet werden, ihre weitere Entwicklung über verschiedene Larvenstadien bis hin zur Junggarnele dort abschließen, um dann wieder ins Süßwasser zurückzukehren. Auch bezüglich des Futterangebotes für die einzelnen Larvenstadien kann ich zur Zeit noch keine genauen Angaben machen.

Eine spannende Aufgabe, deren Bewältigung ich auch erst seit kurzer Zeit in Angriff genommen habe.

Daß andere Caridina-Arten, wie z.B. C. serrata, hier einen ganz anderen Weg der Bestandserhaltung eingeschlagen haben, das ist wieder eine andere Geschichte...

Fortsetzung durch Zuchtbericht erschienen :-)) !

© eine alte Garnele