30. Januar 2003
<Gast>
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30. Januar 2003 | |||
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Die Rede des Präsidenten und
die Rede des Papstes
Politische Theologie I und II:
Die Rede des Präsidenten und die Rede des Papstes
Von der Achse des Bösen war bei
der diesjährigen Rede zur Lage der Nation in der Tat keine Rede
mehr. Aber die Theologisierung von Politik blieb gleichwohl das
leitende rhetorische Mittel bei der Rechtfertigung eines
Präventivkriegs gegen den Irak. An Scharnierstellen seiner Rede
beschwor Bush den "lebendigen Gott", auf den die Nation wie schon
immer, so auch diesmal, in diesen "entscheidenden Tagen" ihr Vertrauen
setze. Wie eine versteckte Rehabilitierung des nicht mehr verwendeten
theologischen Idioms vom Bösen liest sich die rhetorische Frage:
"Wenn das" - Saddams Knechtung der irakischen Bevölkerung - "nicht
von Übel ist, dann hat Übel keine Bedeutung". Und
tatsächlich blitzt der Charakter eines Erlösungsgeschehens
auf, wenn Bush die Menschheit vor einer "Welt des Chaos und des
ständigen Alarms" in Schutz zu nehmen verspricht. "Wir werden
unsere Probleme nicht leugnen, wir werden sie nicht ignorieren, nicht
an andere Kongresse, andere Präsidenten und andere Generationen
weiterreichen".
Der Schutzanspruch, den Bush aufstellt, ist ein totaler, gleichsam das Übel aller Generationen umfassender. Das Reich Gottes ist noch nicht verwirklicht, aber es ist angebrochen in der Zeit, im Jahre 2003, da ein einzelner Präsident das Übel der Welt auf sich nimmt und in einem Akt der Stellvertretung für andere Präsidenten, Kongresse und Generationen kommt, sieht und siegt. Das Ferment des Bösen zu neutralisieren ist nicht etwa eine Menschheitsaufgabe, umsetzbar im Laufe von Generationen mit mehr oder weniger Erfolg. Im Angesicht "der Probleme" greift Bush nicht zur Metapher des Inschachhaltens, sondern zu jener der Ausmerzung. So zieht sich die Geschichte auf einen historischen Moment zusammen, welchen es als Kairos des Weltfriedens ein für allemal zu nutzen gilt. Eine solche Lesart von Bushs Überbau entspringt nicht etwa einer Polemik, die in ungebührlicher Weise die zivilreligiösen Ornamente jeder guten Präsidentenrede überbewertet. Angesichts der bis heute nicht vorgelegten schlagenden Beweise dafür, daß der Irak an neuen Waffenprogrammen arbeitet oder effektive Verbindungen zwischen Bagdad und Al Quaida bestehen, kommt der Theologisierung von Motiven im Gegenteil realpolitische Schubkraft zu, die dort einspringen soll, wo die Faktenlage dürftig bleibt. Bush hat denn auch schon angekündigt, daß die für nächste Woche angekündigten "Beweise" natürlich nicht eine "unmittelbare Bedrohung" belegen würden - aber eben darauf kommt es in einer Erlösungsperspektive auch gar nicht an. In einer solchen, von zufälligen historischen Konstellationen letztlich abstrahierenden Perspektive werden Aktualität und Potentialität einer Bedrohung ineinandergeblendet, werden Sünde und die Versuchung zu ihr dergestalt identifiziert, daß es für sie gleichermaßen nur eine Antwort gibt: die Ausmerzung durch einen "Krieg, der zum Sieg führt". Alles andere - eine Zug um Zug optimierte Kombination von Droh- und Inspektionspolitik, eben das lavierende, im ewigen Hin und Her sich verbrauchende, spezifisch politische Geschäft des Inschachhaltens - sind in dieser Sicht Halbheiten, die das Übel nicht an der Wurzel packen, welches da wuchert in metaphysischem Erdreich. Natürlich werden erst die nächsten Wochen und Monate zeigen, was von diesen Redefiguren realpolitisch umgemünzt und was in die Sphäre der Drohrhetorik zurückgenommen wird. Aber das religiös konnotierte Selbstverständnis der amerikanischen Friedenstaube, das in der Person des überzeugten Methodisten Bush eine nicht nur rhetorische Gestalt annimmt, setzt in jedem Fall eine präsidiale Selbstplazierung im Kampf zwischen Gut und Böse voraus. Es setzt ein psychologisches Raster voraus, in dem man sich selbst als "gut" erfährt - gut geworden durch Taten wie Alkohol- und Tabakverzicht, frühes Aufstehen und diszipliniertes Zubettgehen, durch die allmorgendliche Bibelstunde, das Gebet am Anfang einer jeden Kabinettssitzung. Es ist diese Sicht von Erlösungsreligion, die Bush seit seinem "Bekehrungserlebnis" Mitte der Achtziger prägt und jetzt Folgen im Weltmaßstab erwarten läßt. Als religiöser Antipol zu Bushs Charta einer Weltglaubenspolitik läßt sich die Rede lesen, die der Papst Anfang des Monats gehalten hat. Auch er begreift die Geschichte als große Bühne im Kampf zwischen Gut und Böse - freilich ohne daraus die Ermächtigung abzuleiten, den Knoten zu durchhauen. Der Knoten ist für ihn vielmehr bereits durchhauen - in der Gestalt Christi, die auch Bush als sein tägliches Leitbild reklamiert. Aber die Schöpfung bleibt mit Paulus in Wehen: Die Pole der menschlichen Konflikte, ihre Widersprüche und Spannungen bleiben für Johannes Paul II. bestehen, jede Theologisierung von Politik steht bei ihm unter Ideologieverdacht. Auch der Papst legt Wert darauf, kein Pazifist um jeden Preis zu sein. Doch während Bush den Krieg auf abgründige Art in den nationalen Optimismus einbaut, ihm gewissermaßen eine frische, belebende Note abgewinnt, sagt der Papst mit aufreizend schlichten, jeder Heilsrhetorik entratenden Worten: "Nein zum Krieg! Er ist nie ein unabwendbares Schicksal. Er ist immer eine Niederlage der Menschheit" - also selbst da, wo er "im äußersten Fall und unter sehr strengen Bedingungen" gewählt werden dürfe. Doch eine solche, den Krieg als letztes Mittel rechtfertigende Konstellation hält der Papst angesichts der irakischen Bedrohung für gerade nicht gegeben. Vielmehr erklärte er im ausdrücklichen Kontext zur Irak-Frage: "Der Krieg ist nie ein Mittel wie andere, das man zur Beilegung von Auseinandersetzungen zwischen Nationen einsetzen kann." Bush hat eine globale Perspektive, der Papst ist ein Universalist. Das eine kann mit dem anderen nicht verwechselt werden. Die Reklamierung universaler Werte hat bei Bush immer etwas nachgeschobenes, im Grunde steht er für die republikanische Linie, wonach man das Gerede von den universalen Werten doch endlich durch die Doktrin von den vitalen Interessen Amerikas ersetzen möge. Symbolisch hat er mit den Gehalten des Universalismus schon mehrfach gebrochen: Was schert mich die Übereinkunft von Kyoto, was die Anmahnung zur völkerrechtsmäßigen Behandlung von Kriegsgefangenen? Daß es beim Blick auf den Irak vordringlich um Öl und Geopolitik geht, wird auch von Amerika Gutgesonnen nicht bestritten, und ist für sich genommen auch kein Grund zum Aufschrei. Auch der Papst hält Amerika nicht vor, sich um die Machtkonstellation in der fraglichen Region zu kümmern - sondern daß es den Anschein hat, als soll in einem solchen Zusammenhang der Krieg "als ein Mittel wie andere" eingesetzt werden und damit völkerrechtlicher Grundsätze Hohn gespottet werden. Eine Feststellung, wie sie durch die präsidiale Rede zur Lage der Nation und ihre zentrale Botschaft - Wir ziehen notfalls auch gegen das Votum des Weltsicherheitsrats in den Krieg - jetzt nur noch erhärtet wurde. Denn die alles entscheidende Frage "Krieg - warum gerade jetzt?" hat auch Bush in provokanter Weise offen gelassen. Wenn der Papst jetzt also die amerikanische Menschenrechtserklärung gegen Amerika in Schutz meint nehmen zu müssen, ist das gewissermaßen nur im Nebeneffekt eine politische Frontstellung. Für den Universalisten Johannes Paul II., der Menschenrechte stets als Indiz für die menschliche Seele behandelt, ist das Verdikt gegen den Krieg primär eine religiöse Aussage, auch wenn sie nicht auf eine jenseitige, sondern auf dieselbe politische Konstellation zielt, die auch Bush zur Bewertung vorliegt. In diesem Sinne band der Papst sein "Nein zum Krieg" in ein "Ja zum Leben" ein, dessen Pointe darin besteht, in der Bewertung menschlichen Lebens keine Unterschiede zuzulassen. Das Böse beginnt für ihn dort, wo jemand als Gutgewordener "gleichsam Leben und Tod auf Bestellung" legitimiert. Daß der Papst sein nachdrückliches Fragezeichen hinter einen Irak-Krieg in einen solchen Redekontext einband, in dem es im weitesten Sinne um Aspekte der "Verneinung des Wesens und der Würde des Menschen" geht, mag für Bush der größte Stachel dieses Votums aus Rom sein. Denn es richtet sich nicht nur gegen einen aus päpstlicher Sicht verfehlten Krieg im Irak, es stellt vielmehr das Moralverständnis des Moralisten Bush bloß: als ein selektives, religiös mehr verbrämtes als begründetes. CHRISTIAN GEYER Manche sagen, wir sollten nicht
handeln, bis die Bedrohung unmittelbar ist. Seit wann geben Terroristen
und Tyrannen ihre Absichten bekannt und setzen uns höflich in
Kenntnis, bevor sie zuschlagen?
Präsident George W. Bush am 28. Januar 2003 Der Krieg ist nie ein Mittel wie andere, das man zur Beilegung von Auseinandersetzung zwischen Nationen einsetzen kann. Er ist nie ein unabwendbares Schicksal. Er ist immer eine Niederlage der Menschheit. Papst Johannes Paul II. am 13. Januar 2003 |
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