Workflow im Rahmen von Dokumenten
Management aus Anwendersicht
Vortrag im Rahmen der Fit-Sitzung in Mündersbach
28.03.98
Dipl.-Inform. Heiko Maus, DFKI
Einführendes Beispiel ‚Beschaffungsvorgang‘
Zuerst wird der IST-Zustand des Beschaffungsvorganges
der Beschaffungsabteilung der Universität Kaiserslautern beschrieben.
Darauf aufbauend Szenarien und mögliche Verbesserungen durch den Einsatz
eines Dokumenten Management Systems (DMS), Einführung eines Workflow
Management Systems (WFMS) und eines integrierten DAU-Systems (Document
Analysis and Understanding), wie es im BMBF-Projekt Virtual Office realisiert
wird.
IST-Zustand
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Eingang Bedarfsanforderung (Hauspost,
Fax) (Volumen: 25-30 Dokumente/Tag)
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Einordnung und Zuteilung an Sachgebiete
durch Abteilungsleiter
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Angebotsanfragen durch Sachbearbeiter
(SaB) des Sachgebietes (meist telefonisch, Senden/Faxen eines Musterformulars)
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Vorgang auf Wiedervorlage bis alle
Angebote eingegangen (Terminprüfung über Kalender auf Computer)
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Angebotseingang meist als Fax (ausgefüllte
Angebotsanfrage)
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Preisspiegelerstellung mittels Beschaffungsprogramm
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Auftrag/Bestellung (Kopien an Besteller
und Haushaltsabteilung)
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Verantwortlichkeit bleibt bei Sachgebietsleiter
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falls Auftragsbestätigung: Überprüfung
durch SaB und evtl. Schritte einleiten
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Überwachung des Liefertermins
durch Wiedervorlage
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Anlieferung der Ware i.d.R. bei der
Zentralen Warenannahme mit Lieferschein
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keine pünktliche Lieferung: Lieferanmahnung
(schriftlich, dringend: telefonisch)
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Rechnung: Erfassung, dann zum Besteller
zur Überprüfung, danach Inventarisierung (Kopien) (Eingangsvolumen
100-200 Rechnungen/Tag)
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Senden des Rechnungsoriginal zu Haushaltsabteilung:
Erstellung einer Zahlungsanweisung, Kopie der angewiesenen Rechnung an
Beschaffungsabteilung zurück (als Statusinformation), Original an
Landeshochschulkasse Mainz zur Zahlung
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EDV-gestützter Kalender zur Überwachung
der Angebots- und Liefertermine. Wird nicht von allen SaB durchgängig
eingesetzt.
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alle Formulare, Briefe, Angebote, etc. werden
in Akten archiviert, keine elektronische Archivierung.
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Einführung eines WFMS wird begrüßt.
Dokumentenmanagement
Einige Grundlagen
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Verwaltung von Dokumenten und zugehöriger Information
(elektronischer Dokumente (Images), Papier)
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gleichzeitiger Zugriff auf die Information durch
mehrere Benutzer
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Ablage des Images in Datenbank, Indexierung eines
Dokumentes und Ablage in Datenbank zur Recherche und Wiederfinden
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Unterscheidung CI (Coded Information) und NCI (Non
Coded Information)
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Anbindungsmöglichkeiten an Anwendungsprogramme,
WFMS
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Unterschiedliche Ablagemöglichkeiten (lokale/zentrale
Festplatte, Jukebox, Offline)
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reine DMS ß
à Aufsätze
auf DMS mit Sendemöglichkeiten oder gar Ablaufsteuerung
Einsatz von DMS in der Beschaffungsabteilung
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Eingang Bedarfsanforderung: Vorbereitung
Hauspost, Prüfung (etwa Aussortieren von Werbesendungen), Scannen,
Indexierung, Ablage in DMS
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Einordnung und Zuteilung: anhand
der Indexierung und Dokumentklasse
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Angebotsanfragen:
Anfragen direkt als Unterlagen in DMS ablegen
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Angebotseingang: Aussortierung,
Indexierung, automatisches Weiterleiten
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Preisspiegelerstellung:
evtl. Rückgriff auf Daten im DMS, Recherche im DMS
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Auftrag/Bestellung:
Dokumenterstellung, Muster / ältere Vorgänge als Vorlage
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Verantwortlichkeit: Sachgebietsleiter
hat jederzeit Zugriff und Kontrolle über Status
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Anlieferung: Lieferschein
kann bei der Zentralen Warenannahme eingescannt werden und somit direkt
verfügbar sein
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Rechnung: Erfassung
und Ablage im DMS, Weiterleitung Besteller (falls angeschlossen), Inventarisierung/Archivierung
bereits geschenkt
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Senden des
Originals zu Haushaltsabteilung: Wegfall der Kopien, Weiterleiten, Liegezeiten,
falls alle Stellen an DMS teilhaben (Kosteneinsparung (Postgebühren),
‚kürzere Dienstwege‘)
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Auskunftsfähigkeit:
gegenüber Besteller, Lieferanten, Verwaltungen jederzeit gewährleistet
Mögliche
Gründe für den Einsatz von DMS
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Dokumente mit häufigen Zugriffsbedarf (durch
mehrere Benutzer )
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Dokumente benötigen Zugriff Zugriffsorte geographisch
verteilt, u.U. verschiedene Firmensitze
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Aufhebung der Redundanz und Konsistenzbewahrung
bei lokalen Dokumentablagen
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Reduzierung des Platzbedarfs von Archiven; Senkung
von Sachkosten durch Wegfall von Aktenräumen und Ablageschränken
und zentralen Archivanlagen
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Dokumentenarchivierung: Indexierung: beschreibende
Attribute (Schlüsselwörter, etc.), Klassifizierung, Verwaltungsinformationen
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Suchen und Wiederfinden von Dokumenten, Recherche
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gesetzliche Aufbewahrungspflichten, Zertifizierung
nach ISO 9000
Einsatz von DMS kann auch bei wenig strukturierten
Abläufen von Nutzen sein (Gebrauch der ‚Weiterleiten an‘ Funktionalität)
im Gegensatz zu WFMS
Vorteile
von DMS gegenüber Papierarchiven:
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gleichzeitiger Zugriff durch mehrere (verteilte)
Benutzer
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geringerer Platzbedarf für das Archiv
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schneller Zugriff, Verfügbarkeit
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Anreicherung der Dokumente durch zusätzliche
Informationen (rein textuell, Multimedia)
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Integration in WFMS, Groupware, betriebswirtschaftlichen
Systemen (z.B. SAP R/3) oder firmenweite Informationssysteme
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komfortable Recherche, Referenzen
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Konsistenzerhaltend (durch Zugriffsregelungen (Sperren),
Zugriffsrechte)
Nachteile von
DMS gegenüber Papierarchiven:
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aufwendige Eingabe: Haustpostvorverarbeitung, Scannen,
Indexieren; je nach Dokument unterschiedlich (Farbe, Größe,
Schriftgröße, Fax (Qualität), Inhalt, Seitenzahl, …)
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Papier als Arbeitsmedium, Diskussionsgrundlage,
Notizen und Änderungen direkt auf Papier
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hoher Anteil Bildschirmarbeit (Arbeitsplatzgestaltung),
einseitige Körperhaltung (freie Lesehaltung bei Papier)
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Kosten, komplexe Systeme, Fachpersonal
Workflow Management
Workflow Management Systeme (WFMS) sind Softwaresysteme,
die verteilte Arbeitsabläufe in einem Unternehmen oder einer Verwaltung
unterstützen. Sie werden eingesetzt zur computerunterstützten
Abbildung und Koordinierung von Geschäftsprozessen. Die Geschäftsprozesse
werden in einzelne Aktivitäten aufgeteilt, in Ablaufmodellen spezifiziert
und mittels WFMS koordiniert ausgeführt.
Einsatz von WFMS in der Beschaffungsabteilung
Voraussetzung: WFMS besitzt Dokumentenverwaltung
oder Anbindung an DMS
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Einordnung und Zuteilung an
Bearbeiter durch WFMS anhand der Indexierung
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Angebotsanfragen:
Starten der Textverarbeitung mit Vorlage
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Wiedervorlage:
Verwaltung durch WFMS: Wiedervorlage und/oder Ereignisse
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Preisspiegelerstellung:
Einbindung des Beschaffungsprogramms
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Auftrag/Bestellung
(Kopien an Besteller und Haushaltsabteilung): Automatisiertes Versenden
der Kopien
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Verantwortlichkeit:
Sachgebietsleiter bleibt zuständig
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Überwachung des Liefertermins:
Wiedervorlage / Ereignisse des WFMS
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Anlieferung:
Einbindung der Zentralen Warenannahme in den Workflow
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Lieferanmahnung: Wiedervorlage;
automatische Generierung der Mahnung (Daten aus WFMS); falls telefonisch:
Bereitstellung aller nötigen Daten für SaB
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Rechnung: Automatisierung
der Inventarisierung, Kopiensendungen, etc.
Einsatz der Wiedervorlage/Ereignisse
im WFMS ist überall gewährleistet, durch Modellierung der Fristen
auch ohne Mitarbeitereinwirkung möglich.
Über WFMS ist jederzeit der Status
eines Vorganges abrufbar, zugehörige Dokumente und Daten können
eingesehen werden.
Workflow Management: Grundlagen
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Workflow Management (oder auch Vorgangsbearbeitung):
computerunterstütztes Bearbeiten und Steuern von Vorgängen oder
Geschäftsprozessen
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Aufteilung der Prozesse in Bearbeitungsschritte
(Aktivitäten) und Modellierung in Ablaufdiagrammen (Workflow-Definition)
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Das Modell zur Workflow-Definition bietet je nach
WFMS unterschiedliche Konstrukte, um Abläufe abzubilden und zu koordinieren
(Modellierung der Ablauforganisation), z.B.
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Kontroll- und Datenfluß zwischen Aktivitäten
eines Prozesses
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Übergangsbedingungen (Transitionsbedingungen):
Angabe von Bedingungen, wann die folgende Aktivität ausgeführt
werden soll
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Schleifen, Alternativen (Verzweigungen), Parallelitäten,
Subprozesse
Abbildung der Personen und der Organisation
des Unternehmens (Aufbauorganisation): je nach WFMS verschiedene Konzepte,
u.a.
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feste Anzahl von Hierarchiestufen, einfache Mitarbeiter/Stelle
(oder Rolle) Beziehungen
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hierarchische Modellierung der Organisationsstruktur
(Abteilungen, Projekte, ...)
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Beschreibung von Mitarbeitern durch Rollen, Stellen,
Kompetenzen, Organisationseinheit, Beziehungen untereinander (‚Vorgesetzter
von‘), Stellvertreter
WFMS-spezifisch zusätzlich: Ereignisse,
Wiedervorlage, Ausnahmebehandlungen, Delegation, Simulation, Versionsverwaltung,
Monitoring, Anbindung externer Programme, ...
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Ablage der Workflow-Definition als Muster: daraus
Generierung von Prozeßinstanzen
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Prozeß wird vom WFMS ausgeführt, verwaltet
und koordiniert
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WFMS bestimmt anhand der Workflow-Definition die
nächste Aktivität und durch die personenunabhängige Beschreibung
der möglichen Bearbeiter einer Aktivität den potentiellen Bearbeiterkreis
(Policy Management), der die Aktivität zur Bearbeitung angeboten
bekommt.
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Bearbeiter erhalten zu erledigende Aktivitäten
in Arbeitskorb, können diese zur Bearbeitung aus dem Arbeitskorb entnehmen
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alle Schritte im WFMS können im sog. Audit
Trail (Historie) festgehalten werden
Pro/Kontra WFMS
Vorteile
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Automatisierung von Geschäftsprozessen
oder Vorgängen
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Effizienzsteigerung durch Unterstützung
von Routinearbeit (Automatisierung von Teilschritten)
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Reduzierung von Transport- und Liegezeiten
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Qualitätssicherung (etwa im Zuge von
ISO 9000)
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Auskunftsfähigkeit, Nachweisbarkeit
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Anbindung und Integration von Legacy Systemen
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Lastverteilung auf vorhandene SaB (‚integrierte
Urlaubsvertretung‘, Stellvertreteregelungen)
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automatische Bereitstellung aller nötigen
Informationen zur Bearbeitung einer Aktivität
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Wiederverwendbarkeit von Aktivitäten
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Entscheidungsprozesse im Prozeß modelliert
und somit garantiert
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Ausnahmebehandlungen können vorgegeben
werden
Nachteile/Probleme
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Durchführung einer Bestandsaufnahme der
Geschäftsprozesse und BPR nötig: beratungsintensiv, hohe Kosten
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Auswahl eines geeigneten WFMS (Werbeversprechungen/Leistung),
Berater oft selbst nicht tief genug in der Materie
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Akzeptanz bei den Mitarbeitern
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Einführung eines komplexen Systems, Fachpersonal,
Schulungen, Kosten
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WFMS: teils fehlende Flexibilität, Leistungsumfang,
z.Z. fehlende Standards
Zielsetzungen des Einsatzes von WFMS gehen
einher mit Business Process Reengineering (BPR): Reorganisation
der Geschäftsprozesse in Hinblick auf Effektivität, Komplexitätsminimierung
der Abläufe, Wertschöpfung der Prozesse, Kundenorientierung und
Automatisierung
Welche Möglichkeiten der Modellierung,
der Bearbeitung und der Ausführung existieren, hängt von dem
eingesetzten WFMS ab. Auf dem Markt existieren unterschiedlichste Produkte
mit teilweise großen Unterschieden im Leistungsumfang und Eignung
für bestimmte Anwendungsgebiete.
Voraussetzungen für
den Einsatz von WFMS
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strukturierbare Abläufe
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Integration bestehender Anwendungen (sog. Legacy
Systeme)
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BPR hat stattgefunden (‚kein Zementieren alter starrer
Abläufe‘)
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kontinuierliches Monitoring und Anpassung der Abläufe
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Akzeptanz der Mitarbeiter, Einbindung in Einführung/Verbesserung
Dokumentanalyse
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Spezialgebiet der Mustererkennung und Bildanalyse
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Dokument bestehend aus Text, Grafik, Tabellen, Logos,
etc.
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durch Scannen erhält man Image, das Grundlage
für die weitere Verarbeitung bildet
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Arbeitsschritte: Bildvorverarbeitung (Korrektur
der Textorientierung, Entfernen von Hintergrundrauschen, Texturen), Strukturanalyse,
Texterkennung (OCR: Optical Character Recognition)
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Ergebnis ist Dokumentstruktur und Text
Weitergehend: DAU (Document Analysis and Understanding)
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durch Analyse des Dokumentes ist Dokumenttyp ermittelbar
(Dokumentaufbau, Redewendungen bei Angeboten oder Mahnungen, Aufbau eines
Lieferscheins, ...)
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Wissen über Aufbau des Dokumentes (Layout,
logische Objekte) erleichtert Erkennung, z.B. bei der (Sender)- Adresse
ist Struktur und Syntax klar, Abgleich mit bestehender Adreßdatenbank,
Wörterbüchern
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Arbeitsschritte: Textanalyse, Informationsverarbeitung
(etwa Auswahl SaB als Empfänger und Versand via eMail)
Einsatz von DAU/WFMS in der
Beschaffungsabteilung
Das Projekt Virtual Office hat als Thema
die Integration eines DAU-Systems in WFMS und Nutzung der Synergie-Effekte:
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DAU-System profitiert von der Erwartungshaltung
des WFMS, d.h. welche Dokumente werden im Moment von allen offenen Workflow-Instanzen
(= Geschäftsprozesse) benötigt ?
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Unterstützung bei der reinen Datenerfassung:
Beschleunigung der Erfassung der Daten eines Dokumentes, indem der Sachbearbeiter
nicht mehr alle Daten abschreiben muß, sondern diese nur noch zu
verifizieren hat
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Anfordern von Daten aus Dokument (Rechnungssumme)
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Einbindung und Verarbeitung der analysierten Daten
durch WFMS
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Zugriff des DAU-Systems auf Firmenwissen (corporate
knowledge), zur Erhöhung der Erkennungsquote (Adreß-DB, Lieferanten-DB,
Produkt-DB, ...)
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Lernfähigkeit des DAU-Systems: neue Dokumente
werden akquiriert und somit beim nächstenmal eine höhere Erkennungsquote
zu erreichen
Anhang
Kontakt
Dipl.-Inform. Heiko Maus
Deutsches Forschungszentrum für Künstliche
Intelligenz GmbH
FG Dokumentanalyse
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